Studien haben nachgewiesen, dass Achtsamkeit und Meditation helfen können, einen Umgang mit psychischen Beschwerden zu lernen. Es gibt mittlerweile speziell für psychische Erkrankungen entwickelte achtsamkeitsgestützte Therapieansätze, deren Wirksamkeit wissenschaftlich belegt worden sind, wie etwa die Achtsamkeitsbasierte Kognitive Therapie bei Depression (Mindfulness-based Cognitive Therapy).
Allerdings ersetzen reine Achtsamkeit und spirituelle Praxis keine Therapie – weder medikamentöse Therapie noch Psychotherapie.
Spiritual Bypassing
In diesem Zusammenhang ist der Begriff „spiritual Bypassing“ zu nennen. Damit ist die Tendenz gemeint, spirituelle Ideen und Praktiken zu verwenden, um ungelöste emotionale Probleme, psychologische Wunden und anstehende persönliche Entwicklungsaufgaben zu umgehen oder zu vermeiden.
Der Begriff wurde in den 1980er Jahren von John Welwood, einem Psychlogen und buddhistischen Lehrer eingeführt. John Welwood beschrieb mehrere Wege, in denen Probleme im „weltlichen Leben“ durch spirituelle Praktiken und Erklärungen übergangen bleiben.
Dazu gehören etwa:
1.) Die Positivitäts-Brille („Bypass der Glückseligkeit“): Damit ist die Tendenz gemeint, in transzendentalen Glückszuständen zu schweben bei gleichzeitiger Leugnung offensichtlicher Probleme im Alltagsleben.
2.) Der Zeugen-Bypass: Die Tendenz, das Fühlen von schwierigen Gefühlen und emotionalen Wunden zu vermeiden, indem man sich in die abgehobene Position eines Beobachters oder „Zeugen“ begibt.
Unter welchen Bedingungen kann ich an einem Seminar teilnehmen, wenn eine Diagnose für Depression oder einer anderen psychischen Erkrankung vorliegt?
Wenn Sie an einem Seminar teilnehmen möchten, dann sollten Sie Folgendes beachten:
- Sie sollten Symptome eines Rückfalls frühzeitig und erkennen können
- Sie sollten wissen, wie mit den Symptomen umgehen ist, einschließlich der Einnahme entsprechender Medikamente
- Sie sollten entsprechende (Notfall-)medikation im Seminar mit sich führen
- Mit Ihrem Arzt oder Psychotherapeuten darüber sprechen, ob eine Seminarteilnahme für Sie geeignet ist und wenn ja, zu welchem Zeitpunkt. Beispielsweise ist es in einem akuten Zustand schwerer Depression nicht ratsam, ein Schweigeseminar zu besuchen, sondern Achtsamkeit im Alltag zu üben.
- Wenn Sie Anfänger*in sind, sollten Sie für den Einstieg ein kurzes Seminar besuchen (Eintageskurse im Schweigen oder Seminare bis zu 4 Tagen).
Damit Sie den größtmöglichen Nutzen aus dem Seminar ziehen, ist es wichtig, dass Sie sich vor einem Retreat klar machen, dass weder die Teilnahme am Seminar noch die Seminarleitung Sie spontan heilen wird. Ganz im Gegenteil, es ist damit zu rechnen, dass Sie auf einem Retreat mit den Ihnen bereits bekannten Beschwerden konfrontiert werden und in diesem Falle müssen Sie in der Lage sein, damit umzugehen. Der achtsame und fürsorgliche Umgang mit sich selbst in solchen schwierigen Momenten kann ein erster Schritt und ein Weg zur Heilung sein.
Achtsamkeit und Meditation können nur ihre Wirkung entfalten, wenn folgende psychische Voraussetzungen vorliegen:
- Wenn Sie wach und orientiert sind und innere und äußere Prozesse mit klarem Bewusstsein wahrnehmen können.
- Wenn Sie Zugriff auf kognitive Fähigkeiten haben, also klar im Besitz ihrer Verstandeskräfte sind und in der Lage sind, Abstand zu Gedanken, Gefühlen und inneren Zuständen herzustellen.
Wann sollte ich nicht an einem Seminar teilnehmen?
In diesen Zuständen sind Achtsamkeit und Meditation nicht möglich oder geeignet – zumindest nicht für Anfänger:
- Bei anhaltender Benommenheit und Bewusstseinstrübung
- Wenn die Wahrnehmung durch Wahnvorstellungen oder Halluzinationen verzerrt ist
- Bei mangelnder Orientierung (örtlich, zeitlich, zur eigenen Person und Situation)
- In akuten affektiven Zuständen (Selbst- und Realitätsverlust, Existenzangst, manische Episode oder schwere Depression)
Sollten Sie unsicher sein, ob ein Seminar für Sie in Frage kommt, können Sei uns jederzeit telefonisch oder via Email kontaktieren. Wir besprechen gerne mit Ihnen die Lage.